Das Outing. Nervenkitzel pur.
Mein Outing ist das krasseste was ich je erlebt habe. Und ja, ich bin schwul.
Und es war endlich so weit. Ich war auf dem Geburtstag von meinem ältesten Bruder. Mein eigenes Outing.
Ich hatte eine unglaubliche Angst vor meinem Outing. Ich konnte mir nicht einmal im Traum ausmalen wie meine Eltern reagieren würden wenn sie erfahren, dass ich schwul bin. Mein Freund, nennen wir ihn mal Simon, kam zu mir und schaute mich mit großen und erwartungsvollen Augen an. Wir hatten schon öfters über mein Outing geredet. Erst in der vergangenen Nacht als wir beide gemeinsam auf der Couch im Haus meiner Eltern unter der gemütlichen Decke lagen.
Wozu brauch man das Outing eigentlich?
Der Gedanke an die warme Decke, seine warmen Hände, seine blauen Augen erweckte ein Gefühl der Geborgenheit. Es waren eben die blauen Augen die mich jetzt, keine acht Stunden später so unglaublich erwartungsvoll ansahen. Und zurück bin ich wieder in der kalten Realität. Ich fuhr auf einer Achterbahn der Gefühle. Gerade noch war meine Welt super. Na klar. Ich war auch in meiner Komfort-Zone. Wieso kann nicht einfach alles so bleiben wie es ist. Der hübsche blonde Mann mit dem süßen Grübchen auf seiner linken Wange an der einen Seite und die andere Seite besetzt von meinen mich Liebenden, die mich vom Kleinkind herangezogen haben. Die, die mich auch in meiner Trotzphase und meinen Streitigkeiten mit dem mittleren Bruder nie haben fallen lassen.
Warum muss ich jetzt unbedingt das, was mir beides so sehr am Herzen liegt, nun gegenüberstellen und in eine ungewisse Zukunft gehen? Diese Konfrontation zerreißt mich innerlich. Und doch nehme ich all meinen Mut zusammen. Jeder Schritt den ich näher auf meine Mutter zugehe wird schwer und schwerer. Ich glaube, ich sage es erst einmal nur ihr. Sie hatte bisher in den meisten Fällen Verständnis für jeden Blödsinn den ich gemacht habe. Mein Herz schlägt so laut. Sie schneidet in der Küche gerade den selbst gebackenen Geburtstagskuchen für meinen ältesten Bruder.
Ist das mein Outing?
Ich schaue vorsichtig über meine linke Schulter. Dicht hinter mir steht Simon. Seine Augen sind so groß, vertraut und erwartungsvoll. Er macht eine Geste mit seinen Händen, die mich dazu bewegen soll weiter zu gehen. Der Adrenalinspiegel in meinem Blut steigt spürbar. Normal kenne ich das nur von Situationen, in denen ich mich falsch verhalten habe und das ganz genau weiß. Doch was habe ich jetzt schon wieder falsch gemacht. Ich weiß es nicht. Ein tiefer Atemzug durchströmt meine Lunge. Eine Geste der Beruhigung. Und wenn ich mich recht erinnere haben in der Situation sogar meine Hände gezittert. Da steht sie. Natürlich hat sie mich bemerkt. Sie sieht auch direkt, dass mit mir etwas nicht stimmt. Sie legt das mit Sahne beschmutzte Messer zur Seite, dreht ihren Kopf nach rechts und schaut mich an. „Was ist denn mit dir los?“ Danke Mama. Einerseits ist es schön zu wissen, dass du mich so gut kennst und direkt merkst, wenn mich etwas beschäftigt. Auf der anderen Seite weiß ich nicht wie du reagieren wirst. Simon stubst mich an.
„Mama, ich muss dir was sagen“
Eine gefühlt endlose Pause. Ich gucke ihr in die Augen. „Na was ist denn? Sag schon. Ich möchte den Kuchen raus zu den Gästen bringen. Die warten doch.“ „Mama“, ich merke wie meine Stimme zu zittern beginnt. Noch einmal hole ich tief Luft. „Das hier ist Simon. Mein Freund“.
Mama schaut mich an. Sie zögert. Oh mein Gott. Was habe ich getan. Schlägt sie mir jetzt vor meinem Freund mit der Hand ins Gesicht. Oder was für mich noch viel schlimmer wäre. Fängt Sie an zu weinen? Jetzt zittern nicht nur meine Hände, auch meine Knie werden weich. Ein kleines Zucken in ihrem Mundwinkel. Mit ernster Miene schaut sie mich an. Und dann das…
„Na und? Dann habe ich jetzt halt noch einen Sohn.“
Sie nimmt erst mich, dann Simon in den Arm. „Und jetzt essen wir erst Kuchen und erzählen es dann deinem Vater.“
Wie ging es weiter?
Was ist mit deinem Vater, Freunde und so weiter?
Hi Sebastian,
danke für deine Anfrage. Es freut mich sehr, dass du den Artikel gelesen hast.
Wenn du das wissen willst, trage dich gerne in den Newsletter ein und schreib mir gerne was genau du wissen willst. 😉
LG
Eine tolle Geschichte, sehr rührend😘
Liebe Grüße
Oh man, ja da kann einem schon mal das Herz in die Hose rutschen.
Mein Outing fand vor 4 Jahren statt, als ich die Abteilung bei meinem Arbeitgeber aus gesundheitlichen Gründen wechseln musste. Bis dahin war ich als lieber Onkel Jürgen in der Ausbildungsabteilung tätig und sollte nin eine Lagertätigkeit übernehmen.
Ich war so etwas für die Kinder und Jugendlichen in unserem Betrieb wie ein Beichtvater und hilfreicher Väterlicher Freund mit einem sehr großen Herzen.
Das ich Schwul war hatte ich Erfolgreich seid 40 Jahren verborgen.
Es kam der Tag des Abschied nehmens von meinen Kindern, so nannte ich immer die ganze Bande. An diesem Morgen waren auch alle Anwesend, und ich bat nach der Anwesenheits Abfrage um ein Paar Minuten Zeit mit meiner Rasselbande, ich schickte die Vorgesetzten und Ausbilder aus dem Raum und verabschiedete mich nun unter fast erstickender Stimme von den Lieben . Zum Schluß sagte ich noch den Satz, und übrigens, es geht das Gerücht herum das ich Schwul bin, Stille im Ganzen Raum und dann meine festen Worte, ja es stimmt, das bin Ich.
Kein Mucks man hätte ein Stecknadel fallen hören können. Und dann standen alleauf einmal auf und klatschten und hörten nicht mehr auf, bis ich meinen Freund der 43 Jahre jünger ist als ich ansah und der zu mir kam und mich umarmte, Ich verließ auch schnellstens den Raum, denn ich war den Tränen nah, draußrn lief ich einem großen Teil meiner noch jetzigen Kollegen in die Arme, die mir auf die Schulter klopften und mir sagten, das wurde auch Zeit, wir haben es immer vermutet.
Und ich hatte so eine Angst davor, dabei war es ganz einfach.
lg Jürgen